Eine Podiumsdiskussion am 07.05, im Rahmen der Aktionswoche Kosmos Jupiter. Solidarisch wirtschaften. Gerecht handeln zwischen dem 02.05-11.05.2024
(Kurzbericht von Lukas Tödte, Kampagnen-Manager, mit Ergänzungen von Ossara e.V.)
Seit 2011 trägt Hamburg den Titel Fairtrade-Town. Dafür muss die Stadt verschiedene Kriterien zur
Stärkung des Fairen Handels erfüllen, u.a. eine aktive Steuerungsgruppe, Öffentlichkeitsarbeit sowie
eine gewisse Anzahl fair gehandelter Produkte, die in Geschäften verfügbar sein müssen. Dieser Titel
soll Städte und Kommunen inspirieren, auch darüber hinaus den Fairen Handel zu stärken. Als
Welthandelsmetropole ist Hamburg jedoch auch Knotenpunkt eines ungerechten Welthandels, der in
kolonialer Kontinuität von Ausbeutungsverhältnissen und Machtasymmetrien geprägt ist. Eine
zentrale Drehscheibe dieses Handelssystems ist zweifelsohne der Hamburger Hafen.
In Kooperation mit der Fair Trade Stadt Hamburg und Ossara e.V. sowie den drei Panelistinnen stellten
wir uns gemeinsam die Frage nach Perspektiven auf koloniale Kontinuitäten im Hamburger Hafen. Zu
Gast war Ursula Richenberger, Kulturwissenschaftlerin und Fachbereichsleiterin für Bildung,
Vermittlung und Programm beim Deutschen Hafenmuseum, welches sich gerade im Umbauprozess
befindet und dass Hafengeschichte aus verschiedenen Perspektiven erzählen möchte. Dazu zählt auch
die Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte mit Bezug auf den Hafen, unter anderem anhand
des Segelschiffes Peking, welches bis in die 1930er Jahre in den Transport von Salpeter aus Chile
verwickelt war, der für die Dünger- und Schießpulverproduktion in Europa unerlässlich war und
dessen Abbau und Transport mit der Ausbeutung und der Vertreibung von indigenen Communities in
der Atacama Wüste einherging. Die Peking wurde im Hamburger Hafen gelöscht und ist heute
Ausstellungsstück des Hafenmuseums. Ausgehend von der Kolonialgeschichte des Hamburger Hafens
am Beispiel der Peking spannte Ursula Richenberger den Bogen zu aktuellen Plänen, „grünen“
Wasserstoff und Lithium aus der Atacama Wüste zu gewinnen. Dieses Beispiel verdeutlicht die
historisch gewachsenen Machtstrukturen und deren Reproduktion in globalen Lieferketten im
Hamburger Hafen – damals wie heute.
Martina Zimpel vom Bezirksamt Harburg ergänzte das Gespräch durch ihre Erfahrung als Begleiterin
mehrerer Denkwerkstätten der Begleitgruppe „Mahnmal zum kolonialen Erbe der Stadt Harburg“ mit
dem Ziel, in einem kontinuierlichen Prozess insbesondere migrantische Communities in die
Aufarbeitung der Kolonialgeschichte des Harburger Binnenhafens mit einzubeziehen. Martina
berichtete über die Herausforderung, gezielt bestimmte Gruppen anzusprechen. Dies sei wichtig, um
über die Kontinuität rassifizierter Gewalt während der Kolonialzeit bis heute zu sprechen. Aus dem
Baakenhafen liefen zum Beispiel auch die Schiffe aus, die deutsche Soldaten nach Namibia
brachten, wo Deutschland den ersten Genozid des 21. Jahrhunderts an den Ovaherero und Nama
verübte.
Kritik wurde auch an aktuellen Plänen zum Ausbau des Hafens geäußert, sowie an einschlägigen
Lobbygruppen aus der Wirtschaft, die den Hafen als zentralen Knotenpunkt eines ungezügelten
Kapitalismus weiter ausbauen möchten und an einer kritischen Aufarbeitung der damit verbundenen
Verstrickung des Hafens in koloniale Gewaltsysteme nicht interessiert sind. Zu oft, so Martina Zimpel,
dominierten nostalgische und historisch verklärte Sichtweisen.
Tania Mancheno ordnete die Debatte um die Kolonialität des Hafens mit Ansätzen dekolonialen und
afrozentristischen Denkens ein und erinnerte das Publikum zum Abschluss eindringlich daran, dass
der Hamburger Hafen nicht nur Kontenpunkt globaler Lieferketten, sondern auch als Symbol eines
sicheren Hafens des Ankommens sein könne, vor allem für flüchtende Menschen. Außerdem betont
sie, dass die aktuell geführten Diskurse um „Dekolonialisierung“ zwar begrüßenswert seien, um mit
der kolonialen Amnesie des „Westens“ zu brechen, die Gefahr einer inflationären Verwendung und
Verwässerung des Begriffs aber ernst zu nehmen sei.
Im Laufe des Gesprächs wurde auch betont, dass die Perspektiven der im und am Hafen und auf den
Schiffen arbeitenden Menschen wichtig für Ansätze zur Dekolonialisierung des Hafens seien und
Unterstützung für die aktuellen Proteste gegen den Teilverkauf der HHLA geäußert. Dies greift auch
die Debatte im Fairen Handel zu Arbeitsbedingungen auf Transportschiffen auf.
Moderiert wurde die Veranstaltung von Canê Çağlar, die mit ihrem Hintergrund als Anitrassismustrainerin und Bildungswissenschaftlerin eine stimmige Gesprächsrunde schaffte und durch ihre präzisen Fragen, das zahlreiche Publikum mit vielen spannenden Impulsen zum Weiterdenken in den weiteren Abend außerhalb der Jupiterräumlichkeiten entließ.
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